Berichte aus und zur FuTK-232
Ulrich Huse - gedient in der FuTK-284 (Rohlsdorf) von Oktober 1960 bis Juni 1962
Nach Beendigung der Ausbildung zum Funkmeßoffizier an der Technischen Schule der LSK und LV in Kamenz und der Ernennung am 7.10.1960 wurden wir in die Truppenteile und Einheiten der neu entstandenen Waffengattung der Funktechnichen Truppen der Luftverteidigung des Landes versetzt.
Ausgerüstet mit einem soliden Wissen nahm ich im Oktober 1960 meinen Dienst als Stationsleiter (SL) der Funkmeßstation P-15 HM in der Funktechnischen Kompanie 284 ( Rohlsdorf) auf. Nach der Vorstellung durch den Kompaniechef, Hauptmann Nordmann, übernahm ich die bereits entfaltete P-15 HM und die Besatzung vom Gruppenführer, Unterfeldwebel Neumann. An dieser Stelle möchte ich schon hervorheben, dass ich mich auf einen erfahrenen Gruppenführer stützen konnte, der mir insbesonders praktische Erfahrungen weitergab. Zu den Besatzungen der Funkmeßstationen (FuMSt) gehörten noch zu dieser Zeit die Auswerter / Planzeichner. Später wurden die Auswerter / Planzeichner direkt der Besatzung des Gefechtsstandes unterstellt.
Da sich die politische Lage zu Beginn der 60-iger Jahre zunehmend verschärfte, wurde die Gefechtsausbildung verstärkt in den Mittelpunkt gestellt. Es galt, die Besatzungen der FuMSt, im Bestand befand sich noch eine FuMSt P-8 unter der Führung von Oberleutnant Steinfeld, auf die Luftraumaufklärung (LRA) vorzubereiten. Im Mittelpunkt dabei stand die lückenlose Ortung der Flugzeuge in den drei Luftverbindungswegen von und nach Berlin (West). Besondere Probleme hatten wir dabei mit dem Korridor 1, von Hamburg nach Berlin (West), weil die Flugzeuge erst kurz vor der Staatsgrenze der DDR oder kurz danach von unseren FuMSt aufgefasst wurden. Trotz taktischer und auch technischer Maßnahmen konnten wir nur unwesentlich die Reichweite erhöhen, deren Ursache aber auch in der ungünstigen Lage des Standortes Rohlsdorf lag. Durch die weitere Entfaltung von FuTK entlang der Staatsgrenze zur BRD, sie erhielten die Bezeichnung FuTK der 1. Linie, wurden die Lücken im Funkmessfeld weiter geschlossen.
Völlig unerwartet wurde ich am 13.August 1961 gegen 02.00 Uhr zur Dienststelle aus dem Ausgang geholt. Mein Arbeitsplatz nach Auslösung der Gefechtsbereitschaft war die FuMSt, wo ich die Führung der Besatzung zu übernehmen hatte. Durch die nun gezielte LRA im Rahmen der Gefechtsbereitschaft stellten wir zunehmend eine höhere Aktivität von Flugbewegungen auf dem Territorium der BRD fest, inbesonders im grenznahen Raum. Da der Gefechtseinsatz der FuMSt P-15 für die Ortung von Flugkörpern in geringen und mittleren Höhen vorgesehen war, erfolgte eine Begrenzung in der Entfernung auf 100 km. Die LRA wurde zunächst über 24 Stunden im Wechsel mit den anderen FuMSt durchgeführt. Zugeführt wurde eine zweite FuMSt P-15, SL Unterleutnant Hampel. Zurückblickend muss man schon einschätzen, es war eine angespannte und kritische Periode bis zum 21. September 1961. Die NVA war in dieser Periode nur zur Ausübung ihrer äußeren Schutzfunktion eingesetzt. Die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der FuTK-284 erfüllten gewissenhaft und mit hoher Einsatzbereitschaft die gestellten Gefechtsaufgaben.Für mich jedenfalls war es die erste Bewährungsprobe als junger Offizier.
Im Verlaufe des Jahres wurde die FuTK-284 in das Diensthabende System (DHS)der Luftverteidigung des Landes integriert. In kürzester Zeit galt es nun, die notwendigen Zulassungen für das DHS zu erlangen. Weitere FuMSt wurden zugeführt, darunter eine P-25 zur Jägerleitung, was natürlich den Platz und die Rolle der FuTK neu definierte.
Die LRA im DHS veränderte auch zunehmend ihr Gesicht. Waren wir in der ersten Zeit vorrangig damit beschäftigt, die Flugzeuge im Luftkorridor 1-3 lückenlos zu orten, so orteten wir zunehmend Aufklärungsflugzeuge der NATO über dem Territorium der BRD, Hubschrauber und Kleinflugzeuge im Grenzbereich.
Neben den FuTT der LV waren natürlich auch die FuTT der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland nach ähnlichen Strukturen auf dem Territorium der DDR entfaltet. Ich erwähne diesen Sachverhalt deshalb, weil die ununterbrochene Arbeit im DHS auch ein Anstieg an Ausfällen der Funkmeßtechnik brachte. Es waren die sowjetischen Waffenbrüder der Nachbareinheit, die uns mit Ersatzteilen am Anfang tatkräftig unter die Arme griffen.
Der weitere Ausbau der FuTK und die Zuführung neuer Technik interessierte offensichtlich auch die ausländischen Geheimdienste. Obwohl regelmäßig alle Zufahrten zur FuTK darauf kontrolliert wurden, dass die entsprechenden Schilder für die Militärmissionen vorhanden waren, meldete regelmäßig der Luftbeobachtungsposten, der am Tage auch die Sicherheit des Objektes gewährleistete, unbekannte Fahrzeuge in der Nähe der FuTK. Die Zufahrtsstraßen zur FuTK, es waren anfangs Feldwege, wurden zunehmend unbefahrbar für zivile Fahrzeuge. Diesen Sachverhalt wurde der englischen Militärmission eines Tages zum Verhängnis, an dem sich auch ein geländegängiger PKW in der Nähe des Objektes, im OT Ellershagen, festfuhr. Von unseren Wachsoldaten wurden sie bis zum Eintreffen eines Offiziers der GSSD festgesetzt. Damals war uns eigentlich klar, die westlichen Militärverbindungsmissionen (MVM) befuhren die gesperrten Zonen mit der eindeutigen Absicht, militärische Objekte aufzuklären und Informationen zu gewinnen. Im Buch "Headquarters Germany", erschienen in der "edition ost", legen die Autoren auch die Tätigkeiten der MVM dar, die im Auftrag der westlichen Geheimdienste erfolgte.
Nach und nach verbesserten sich auch die Arbeits-und Lebensbedingengen in der FuTK. Aus einer "Sandwüste", in der eine Baracke stand, die vorrangig als Unterkunft für Unteroffiziere und Soldaten diente und einem Massivflachbau, der den Wirtschaftsbereich, den Gefechtsstand und die Dienstzimmer / Unterkünfte der Offiziere umfasste, wurde schrittweise eine Dienststelle.
Neben der FuTK entstanden die ersten Wohnungseinheiten für die Berufssoldaten. Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagten, oft keine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel vorhanden war, zogen nun die Familien oftmals aus Großstädten zu ihren Männern. Ich sage das nicht als Vorwurf, denn auch ich habe mich im Jahre 1957 freiwillig und aus Überzeugung zur NVA gemeldet. Da in der FuTK-290 (Altensalzwedel) 1962 eine Wohnung frei wurde, stimmte man meinem Versetzungsgesuch zu. Im Auslieferungslager Doberlug-Kirchhain übernahm ich dann eine neue FuMSt P-15 S und verlegte sie in die FuTK-290 ( Altensalzwedel).
Spätestens an dieser Stelle könnte sich der Leser die Frage stellen, warum ehemalige Angehörige der NVA, die doch am 03.10.1990 laut Einigungsvertrag nicht mehr existierte, über ihre Dienstzeit berichten, Bücher oder auch nur Episoden schreiben ? Die Frage will ich so beantworten : Niemand sollte auch unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen seine Biographie verheimlichen und sich abducken ! Der letzte Minister für Abrüstung und Verteidigung der DDR, Rainer Eppelmann, sagte am 12. September 1990 auf der letzten Kommandeurstagung der NVA :
"Es ist die Aufgabe einer Armee, ihrem Staat zu dienen und die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Diese Aufgabe hat die Nationale Volksarmee nach bestem Können und mit hoher Professionalität erfüllt. Es gibt keinen Grund, nicht zurückzublicken."
Der Deutsche Bundeswehrverband, aber auch andere Organisationen und Vereine, kämpfen um die Anerkennung unserer berechtigten Forderungen. Vieles wurde schon erreicht, ich denke nur an das AAUG-ÄndG vom 11.11.1996 (Neufestlegung der Rente). Eine Reihe von nichtgeklärten Problemen stehen noch auf der Tagesordnung oder sind schon auf dem Wege der Lösung. Ich verstehe jedenfalls eine Reihe von Kameraden nach 14 Jahren nicht, dass sie noch in den " Löchern" verharren. Mit dem notwendigem Wissen und den Erkenntnissen seit 1990, auch wir wussten vieles nicht, sollten wir den Fälschungen konsequent entgegentreten und die oft gewollten Entstellungen über die NVA richtig stellen.
Das sollte unser gemeinsames Anliegen sein.
Ulrich Huse
Erinnerungen von Uffz. Pallad an seine Dienstzeit in den FuTT (ebenfalls in der FuTK-284) Anfang der 60-er Jahre - bitte diesem Link folgen
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